Donnerstag, 14. Oktober 2010

Frauenmalgruppe

Gestern war der erste Abend meiner Frauenmalgruppe. Fünf Frauen im Alter zwischen 20 und 72 haben sich über die vhs angemeldet und trafen pünktlich um 19:30 Uhr in meinem kleinen, aber feinen Atelier im neuen Haus ein - voller Erwartung, was in einer Frauenmalgruppe so auf sie zu kommt. Nachdem ich erst mal ganz klar gesagt habe, dass es sich nicht um einen MalKURS handelt, sondern um eine MalGRUPPE mit durchaus kunsttherapeutischem Ansatz, wurden die Augen größer. Der Fokus sollte ganz klar sein: Malen, um sich auszudrücken und nicht um ein dekoratives "Kunstwerk" zu kreieren. Für die meisten der Damen war dies ein sehr ungewöhnlicher Ansatz. Aber sie wollten sich darauf einlassen.

Das Thema des Abends war "Dein Lebensbaum", mit der Besonderheit, sich dabei auf die eigenen Stärken und Ressourcen zu konzentrieren. Für mich eine wunderschöne und niedrigschwellige Übung, mit wenig "Gefahren". Dachte ich.

Das Malen verlief sehr harmonisch. Jede der Frauen erfasste sofort, worum es bei dem Auftrag ging und konnte ihn auch sehr gut umsetzen. Doch bei der anschließenden Bildbesprechung flossen die ersten Tränen. Jahrelange Trauer um ein verlorenenes Kind brach auf. Ich war extrem berührt und fühlte mich gleichzeitig geehrt und dankbar für das Vertrauen. Die Teilnehmerin konnte offen darüber sprechen und auch wieder loslassen. Die Gruppe hat sie aufgefangen - und ich konnte es auch.

Nachdem schon fast alle aus dem Haus waren, hat mich dann eine weitere Teilnehmerin um ein Gespräch gebeten. Auch bei ihr flossen sehr viele Tränen. Ich konnte sie stabilisieren und nach 45 Minuten nach Hause entlassen, doch eigentlich bräuchte sie wohl anhaltende Begleitung.

Ich erzähle dies in dieser Ausführlichkeit, um klar zu machen, wie viel selbst in einer "einfachen" vhs-Malgruppe passieren kann. Ich war selbst extrem überrascht über die Heftigkeit und die Unmittelbarkeit der Reaktionen. Hatte ich nur das "Pech" (oder das Glück?), auf so arg schlimme Lebensgeschichten zu stoßen? Oder hatte ich die Lebensbaum-Übung unterschätzt?

Und da soll noch mal einer sagen, Kunsttherapie wirkt nicht.

2 Kommentare:

Claudia hat gesagt…

Weißt Du...manchmal sind es auch diese ganz besonderen Menschen denen man sich leichter öffnet. Du hast Deinen perfekten Beruf wohl gefunden!
Ich wünsche Dir viel Freude mit Deiner "nur-vhs-Gruppe". Schade, dass Du nicht im Hamburger Umfeld bist...
glg!
claudia

Anonym hat gesagt…

Ich glaube, genau das ist es, warum ich nun auch den Weg zur ausgebildeten Kunsttherapeutin einschlage. In keinem anderen Beruf kann man mehr man selbst sein.
Man kann weinen, lachen, wütend sein, traurig... und all das ohne eine Verurteilung zu befürchten! :)

Ich wünsche weiterhin viel, viel Erfolg !

Liebe Grüße
Kathrin ( die den Blog nun regelmäßig liest)

http://labellepastelle.wordpress.com/